top of page
10-ab-Vieri Clübbli

2006, Basel

„Moorgestraich-Dräumli“

Es ist kurz nach Mitternacht und mucksmäuschenstill in der Wohnung. Kein Laut ist zu hören – nur das vertraute Geräusch des Kühlschrankes unterbricht mit seinem leisen Surren von Zeit zu Zeit die Stille.

Draussen ist es kalt - nicht eisig  – aber doch so kalt, dass sich durch das Fenster die Umrisse der Hausfassaden und Strassenzüge scharf und klar abzeichnen. In der Ferne hört man Motorengeräusche von vereinzelten Lastwagen….es liegt viel Schnee auf den Strassen - am Vortag hat es geschneit wie seit 50 Jahren nicht mehr.

 

Es ist jetzt zehn Minuten vor ein Uhr am Morgen – Morgestraichmorgen. Einen Wecker brauche ich nicht – ich liege seit über zwei Stunden wach im Bett und habe dem Surren des Kühlschrank’s gelauscht - die Minuten gezählt – die Vorfreude und Stille genossen – die jungfräuliche Fasnacht hat mich voll gepackt und mir einige Male die Haut gekräuselt. Ich bin ungeduldig, kribbelig – möchte,  dass es endlich los geht und gleichzeitig, dass es noch ewig dauert – dass meine Stimmung und die Vorfreude nicht abreissen.

 

Ich halte es nicht mehr aus, früher – viel früher als geplant - stehe ich auf. Ich setze mich auf die Bettkante und bleibe einige Minuten sitzen ….stimmt die Zeit? – bin ich zu spät? (ich kontrolliere zwei Uhren) ….ist es wirklich das richtige Datum? …..hat das Wetter gehalten? ….habe ich mein Kostüm bereit?

 

Ich wecke meinen guten Freund (ich bin Gast während der Fasnacht) – wir haben geplant, ein kleines „z’Morge“ zu essen und eine Tasse Kaffee zu trinken – doch wir haben keine Lust mehr dazu – wir sind nervös und ich pressiere ohne Grund mit dem Anziehen meiner x-Schichten an warmen Kleidern und dem Kostüm – ich möchte nur noch eines – RAUS aus der Wohnung auf die Strasse – Morgestraich-Basel mit allen Sinnen reinziehen.

 

Wir verlassen das Haus und stehen in Basel – mitten in Basel’s Altstadt  – in der Rheingasse. Wir fühlen uns wie in einem Traum – wir sprechen ohne Grund leiser als sonst – jeder unserer Schritte tönt anders (ok – das dürfte am Schnee liegen). Wir gehen langsam die Strasse in Richtung Mittlere Brücke entlang. Die Luft ist kalt – sie schmeckt anders also sonst – noch nicht nach Räppli oder Klöpfer (auch nicht nach Chienbäse vom Sonntag) – aber doch irgendwie anders – fasnächtlich und unbeschreibbar. Vereinzelt sehen wir kostümierte „Cliqueler“ mit Drummle, Piccolos oder Ladärne – nicht viele – wir sind auch dieses Jahr unter den Ersten auf der Strasse – wunderschön – unbeschreiblich schön. Nach der Mittleren Brücke folgen die wenigen hundert Meter auf die ich mich – in Gedanken – schon das ganze Jahr über gefreut habe. Schnydergässli und Spalenbärg – dunkel und so schön heimelig. In Gedanken versunken laufen wir schweigend nebeneinander die Gässli hinauf bis zur Harmonie am Petersgraben.

 

Ich bin traurig und glücklich zugleich  – das erste aber nicht letzte Mal an dieser Fasnacht –  die ersten, so tiefgehenden Erlebnisse sind für dieses Jahr bereits unwiderruflich vorbei – wie brutal die Fasnacht doch ist!

 

Es ist mittlerweile kurz vor zwei Uhr. Wir stossen die schwere Holztüre zur Harmonie auf – ein angenehmer, warmer Luftzug strömt uns ins Gesicht – es riecht nach frisch aufgehängten „Fasnachts-Bändeli“ und „Kaffi“ …genau wie letztes Jahr. Alles ist wie letztes Jahr … oder doch nicht? …

 

vom Lukas - e Grindigsmitgliid imJoor 2006

  

„was isch fyr Zyt...........?“

„Zää ab........ Vieri!“

 

 

 

bottom of page